Frankfurter Flughafen, 1. September; Ich war wirklich auf dem Weg nach Kanada und dabei mir meinen Traum zu erfüllen. Richtig realisieren konnte ich noch nicht, dass ich in wenigen Stunden schon in Kanada wäre und dann dort für 3 Monate leben würde. Nach der Landung in Vancouver wurden wir mit den gelben Schulbussen, die man aus den amerikanischen Highschool-Filmen kennt, abgeholt und nach Pitt Meadows gefahren. Dort wurden wir dann unseren Gastfamilien vorgestellt und die sind mit uns „nach Hause“ gefahren. Ich war so aufgeregt und habe mich wahnsinnig gefreut. Jedoch waren die ersten paar Tage sehr ernüchternd für mich, denn meine Gastfamilie war nicht so, wie ich es mir vorgestellt und erhofft hatte. Jedoch habe ich nach ein paar Tagen eine spanische Gastschwester bekommen und wir haben dann beide die Familie gewechselt, weil auch sie es dort nicht mochte. Es war wirklich kein gelungener Start und hat mich einiges an Nerven gekostet. Insgesamt war ich nur 10 Tage in dieser Familie, die mir aber auch gereicht haben. Dann, Sonntag, sollte es soweit sein und ich wurde zur neuen Familie gefahren. Wieder war ich voller Aufregung und hoffte inständig, dass ich diesmal Glück haben würde. Denn was würde ich tun, wenn es schon wieder nicht passen sollte? Lag es dann nicht vielleicht an mir? Ging dann noch einmal wechseln? Innerlich war ich auf einiges gefasst. Der Wagen hielt vor einer Reihe von Townhäusern in der Nähe des Fraser Rivers. Alles sah sehr nett und schnuckelig aus. Wir klingelten und die Tür wurde von Danielle, meiner neuen Gastmutter geöffnet. Und schon dann war ich erleichtert, denn sie sah sehr nett aus. Auch Dave (mein Gastvater), den ich wenig später kennen lernte, war sehr sympathisch und mir fiel ein Stein vom Herzen. Sie nahmen sich auch gleich Zeit für mich und unterhielten sich mit mir, wollten wissen, was ich an der anderen Familie nicht mochte und was ich in Kanada gerne machen würde. Sie zeigten Interesse an mir und meinen Hintergründen. Zudem hatten die beiden zwei Hunde, genauer gesagt Möpse, die Bob und Olive hießen. Die beiden habe ich sehr ins Herz geschlossen. In den kommenden Wochen haben Dave und Danielle sehr viel mit mir unternommen. Sie waren mit mir im Aquarium, bei zwei Footballspielen, bei einem Ice-Hockey Spiel, in vielen Patchworkläden (spezielle Stoffgeschäfte, wo ich das nötige für mein Hobby besorgen konnte), in Vancouver, im Kino und und und … Was ich auch sehr genossen habe, war, dass beide wirklich Interesse an mir gezeigt haben. Sie wollten immer wissen, wie mein Tag war, was ich gemacht habe und wie meine Pläne aussehen. Wir hatten viele tolle Gespräche und immer Spaß. Zu beiden hatte ich ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Schule hat mir auch Spaß gemacht. Man kann im Gegensatz zu Deutschland auch mal andere Fächer wählen, wie kochen oder nähen. In der Nähklasse dort habe ich eine Pyjama-Hose und einen Sweat-Pulli genäht. Beides konnte ich als Andenken mit nach Deutschland nehmen und sie sind richtig gut geworden. Dort ist mir die Schule auch sehr leicht gefallen. Ich hatte keinerlei Schwierigkeiten mit zu kommen und es war sehr locker. Überraschend fand ich, dass dort niemand Wert auf mündliche Mitarbeit legt, bzw. sie sowieso nur 5-10 % zählt. In Deutschland zählt sie ja weitaus mehr und die eigene Meinung ist grundlegend, in Kanada geht es nur mehr darum, dass was im Buch steht wiederzugeben. Gefallen hat mir das nicht so sehr, da ich finde, dass selbstständiges Denken und das Bilden einer eigenen Meinung wichtig für die Entwicklung sind. Aber die Atmosphäre dort war sehr locker und freundschaftlich, kein bisschen steif wie man es manchmal aus Deutschland gewohnt ist. Alle Lehrer waren super nett und man hatte ein gutes Verhältnis zu vielen von ihnen. Smalltalk ist dort doch wesentlicher Bestandteil des Lebens. Lustig fand ich, dass man Zeit hatte, alle schriftlichen Arbeiten, selbst wenn sie aus der ersten Woche waren, bis zum Ende des Terms nachzureichen. Abgabetermine gab es zwar, aber sie waren nicht wirklich bindend. Mal eine ganz neue Erfahrung, die ich auch ausgenutzt habe. Dort habe ich auch schnell Freunde gefunden. Nicht nur aus Kanada, auch aus anderen Orten in Deutschland, Brasilien, Spanien, … Es ist Wahnsinn, wie schnell einem die Leute dort ans Herz wachsen können und wie schnell man Teil des Lebens wird. Man baut sich selbst in 3 Monaten dort drüben schon ein kleines zu Hause auf. Bisher habe ich auch immer noch Kontakt zu vielen Leuten von dort und möchte das auch weiterhin aufrechterhalten. Und ich will definitiv irgendwann noch einmal dorthin fahren und die Leute dort besuchen. Mit deutschen Freunden habe ich auch einiges unternommen, dass waren meist die typischen Touristen-Aktivitäten, wie Vancouver erkunden, in die Vancouver Art Gallery gehen, nach Granville Island fahren… Granville Island lohnt definitiv einen Besuch und wer kann sollte mit den Aquabussen dorthin fahren! Und unbedingt zur Capilano Suspension Bridge fahren (eine große Hängebrücke) und sich dort eine Weile umschauen. Unglaublich gefreut habe ich mich auch, als mir meine Gasteltern zum Geburtstag ein Ticket für ein Ice-Hockey Spiel geschenkt haben. Ich hatte vorher noch nie eines live gesehen und fand es toll. Wir hatten außerdem auch Sitze in der ersten Reihe, was auch noch mal ein ganz anderes Erlebnis ist. Es gibt so viele tolle Dinge dort und man sollte alles machen, was man machen kann und so viel mitnehmen wie möglich. Bei allem gilt: Probieren, probieren, probieren! Und dann war irgendwann auch schon meine Zeit dort zu Ende. Plötzlich brach die letzte Woche an, doch es fühlte sich einfach nicht danach an, als müsste ich gehen. Irgendwie realisierte ich schon wieder nicht, dass es soweit war, genau wie am Anfang. Andererseits war ich auch wieder sehr aufgeregt, meine Familie und Freunde wieder in den Arm nehmen zu können. Es ist einfach ein tolles Gefühl, alle wieder sehen zu können. Der Tag des Abschieds war sehr traurig. Inzwischen habe ich auch nicht mehr Fernweh, wenn ich an Kanada denke, sondern schon auf eine Weise Heimweh.