5 Monate pures Lebensglück - Canada! Die Idee kam mir eigentlich schon sehr früh. Einerseits wollte ich etwas erleben, etwas Einzigartiges und etwas für mich alleine erfahren, was sonst keiner so gemacht hat. Andererseits hat die Welt mich irgendwie gerufen. Ich musste mal raus aus meinem Leben und aus dem Alltag mit Schule und jede Woche den gleichen Hobbys. Neue Leute und eine andere Kultur kennen lernen, mein Englisch verbessern und Spaß haben. Erst ist es das Gefühl, der Wunsch danach, und dann hab ich angefangen mich in die Planung zu stürzen und Woche für Woche nahm das Ganze dann mehr Gestalt an. Erst musste ich mich natürlich für ein Land entscheiden, und dann immer präziser für die Stadt und die Schule. Immer mehr entstand in mir der Wunsch, nach Kanada zu reisen und ich setzte alles daran, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Aber auch, wenn es mit Arbeit verbunden war, hat mir die Planung schon ziemlich viel Spaß gemacht und ich war auch ein wenig stolz auf meine Selbstständigkeit dabei. Nach Infotreffen, regelmäßigen Infobriefen, Kofferpacken und Abschiedspartys stand ich dann plötzlich am Düsseldorfer Flughafen und konnte überhaupt nicht wahr haben, dass ich meine Familie jetzt zum letzten mal für 5 Monate in den Arm nehmen würde. Aber neben den Tränen, hat es mir auch in den Fingern gekribbelt loszugehen und mein Abenteuer Kanada endlich zu erleben. Die Aufregung nach dem Neun-Stunden-Flug kann man sich wohl kaum vorstellen, immerhin ist alles neu, man kennt niemanden, außer ein paar von den anderen Deutschen, und ist plötzlich auf einem anderen Kontinent, in einem fremden Land mit einer fremden Sprache. Im gelben Schulbus, der uns alle sehr fasziniert hat, wurden wir nach Maple Ridge gefahren, wo meine Gastfamilie mich unglaublich herzlich empfangen hat. Ich hatte zwei Gastschwestern. Gabby war 6 und Olivia 3 und beide haben mich mit ganz großen Augen hinter dem Rücken von meinem Hostdad angelächelt. Zuhause, wie ich es mittlerweile auf jeden Fall nennen kann, war mir natürlich alles noch ganz fremd. Außerdem war ich durch den langen Flug furchtbar müde, aber meine Gastfamilie hatte vollstes Verständnis dafür. In den ersten Wochen war alles neu und aufregend, aber wir hatten eine Einführungswoche mit allen Internationals, in der wir Kanu fahren und auf Vancouver Island waren. Meine Gastfamilie hat viel mit mir unternommen, wir waren in Vancouver Downtown und in den Bergen, haben meine Grandparents besucht und Schulsachen gekauft. Die Landschaft ist unglaublich; wenn ich aus meinem Fenster geguckt habe, konnte ich die Berge sehen und so viel Wald und Natur, wie ich es als Großstadtkind gar nicht gewohnt war. Ich bin auf die Westview Secondary School in Maple Ridge gegangen und hatte English, History, Biology, Math, French, PE, Art und Cooking als Schulfächer. Am liebsten mochte ich Art und Cooking. Am Anfang haben wir super viel Theorie in Cooking gemacht, aber später dann jede Woche gekocht! Die Kanadier sind ganz anders als die Deutschen, viel offener und freundlicher. Wenn man in ein Geschäft kommt, wird man gefragt, wie es einem geht und dann erstmal Smalltalk gehalten. In der Schule waren auch alle ganz neugierig auf die “Deutschen” und haben uns sofort am ersten Tag angesprochen. Im Unterricht hat man dann auch noch ganz viele Leute kennen gelernt und natürlich auch außerhalb der Schule was unternommen. In Kanada hat man ein ganz anderes Verhältnis zu seinen Lehrern. Der Unterricht ist viel lockerer und trotzdem lernt man etwas. Jeder Lehrer hat seinen eigenen Klassenraum, wo die Schüler je nach Stundenplan hingehen. Ich hatte also keine feste Klasse, sondern einen individuellen Stundenplan und einen Locker (Spind) auf dem Flur, wo ich meine Sachen einschließen konnte. Pro Tag hatte ich vier Stunden Unterricht, die jeweils 80 Minuten gedauert haben. Mittags gab es eine Stunde Lunch Break, in der wir meistens mit Deutschen und Kanadiern in der Cafeteria waren. Mit PE, der Sportklasse, haben wir regelmäßig Field Trips gemacht, wie Rock Climbing, Bowling, Kayaking, Wind Surfing oder River Rafting. Etwa einmal im Monat gab es eine große Assembly, bei denen dann Tanzgruppen aufgetreten sind oder Wettbewerbe waren und es gab eine Spirit-Week, in der wir uns jeden Tag anders verkleiden mussten. Wir haben regelmäßig Tests geschrieben, aber die Schule hat mir richtig viel Spaß gemacht. Das Essen war in meiner Gastfamilie ganz anders als zuhause in Deutschland, wo wir kaum Fleisch essen. In Kanada gab es jeden Tag Fleisch und mit meiner Gastmutter habe ich ständig gebacken. Mit meinen Gastschwestern habe ich mich auch unglaublich gut verstanden und sie sind schnell wie richtige Schwestern für mich geworden. Nach ca. zwei Monaten habe ich mich in Kanada wie zuhause gefühlt und alle zwei bis drei Wochen mit meiner Familie in Deutschland über Skype telefoniert. Man gewöhnt sich immer mehr an die Sprache, denkt und träumt auf Englisch. Im Oktober haben wir Thanksgiving gefeiert und einen echten Turkey gemacht, der dann mit der ganzen Familie gegessen wurde. An Halloween drehen die Kanadier total durch und feiern es wie Weihnachten!! Es gibt Haunted Houses, Halloweenpartys, Trick or Treat von Haus zu Haus, Kürbisse überall und Massen an Halloweendekoration zu kaufen. Der School District hat jeden Monat einen Field Trip organisiert, für den man sich freiwillig anmelden konnte. Wir waren Skifahren und oft in Vancouver mit Freunden. Irgendwann im Dezember hat es angefangen zu schneien und ich hab mit meinen Gastschwestern den Weihnachtsbaum geschmückt. Mit Lametta und Glitzerkugeln - gar nicht mein Geschmack, aber irgendwie süß. In der Weihnachtszeit war es manchmal komisch, nicht in Deutschland zu sein, ganz besonders dann an Heiligabend, aber ich war gleichzeitig so gespannt auf Christmas in Canada, dass für Heimweh kaum Zeit blieb. Am Weihnachtsmorgen kamen Gabriella und Olivia in mein Bett geklettert und haben mich dann ins Wohnzimmer gezerrt, weil Santa in der Nacht gekommen war! Am Kamin hingen Strümpfe mit Schokolade und Briefen vom Weihnachtsmann und unter dem Weihnachtsbaum die Geschenke - echt süß. Ende Dezember war ich mit Freunden bei einem Eishockey-Spiel und meine Gastfamilie ist mit mir in die USA, nach Seattle gefahren. Nach Silvester ging der letzte Monat rasend schnell vorbei und irgendwann war es an der Zeit meine Koffer zu packen. Wenn man glaubt, es ist schwer sich von seiner Familie in Deutschland zu verabschieden, kann man sich nicht vorstellen, wie schwer es ist, sich von seinem Leben im Ausland zu verabschieden. Ich glaube ich habe noch nie so viel geweint, wie in den letzten zwei Wochen vor dem Rückflug. Jetzt bin ich seit drei Monaten wieder in Deutschland, der Einstieg in der Schule und in mein “altes Leben” hat super leicht geklappt, aber ich vermisse meine Freunde in Kanada und meine Gastfamilie sehr. Manchmal würde ich alles geben um die Zeit noch einmal zurück zu drehen. Ich skype regelmäßig mit meiner Gastfamilie und spare schon für einen zweimonatigen Urlaub in Vancouver. Ich kann jedem, der noch vor der Entscheidung steht ins Ausland zu gehen, nur raten es zu tun. Es ist eine einmalige Erfahrung und die Chance kriegt man vielleicht nur einmal im Leben. Die fünf Monate in Kanada waren für mich fünf Monate pures Lebensglück und ich beneide jeden, der dieses Erlebnis noch vor sich hat. Es lohnt sich wirklich, man muss sich nur trauen!