„Das träum ich alles nur! “ war mitunter das erste was ich dachte als ich zum ersten Mal das Land sah in dem ich für die nächsten drei Monate leben sollte: Kanada. Es kam mir wirklich alles wie ein riesiger Traum vor, dass ich plötzlich aus dem Flugzeug aussteige, so unendlich weit weg von meiner gewohnten Umgebung bin und in einem Land angekommen war dessen unglaublich schöne und riesige Bergkulisse einen einfach verzaubert. Erst als ich im Bus war, umgeben von vielen anderen deutschen Schülern die genauso neugierig nach draußen schauten wie ich und eine Million Bilder machten wurde mir langsam bewusst : Ich war wirklich in Kanada! Der Moment in dem ich meine Gastfamilie zum ersten Mal sah war schon ziemlich aufregend : Meine hostmum war mir direkt total sympathisch genauso wie mein hostdad, der loslief um meinen Koffer einzusammeln. Auf der Fahrt zu meinem neuen Zuhause erzählte mir meine hostmum von all den Plänen die sie schon mit mir vorhätten (z.B. eine Fahrt nach Whistler, Familienfeste…) und ich war doch ziemlich dankbar das ich meine Antworten auf „nice“ und „great“ beschränken konnte. Meine Gastschwester war vierzehn also jünger als ich und wir brauchten ein bisschen Zeit bis wir uns aneinander gewöhnt hatten, aber nach ein paar Wochen verstanden wir uns richtig gut und redeten über Gott und die Welt. Auch mit meinem Gastbruder der schon achtzehn war dauerte es ein bisschen bis wir uns richtig unterhielten, aber da er ein großer Fan von Deutschland war hatten wir immer genug Gesprächsthemen. Ich war unglaublich dankbar dafür das meine Gastschwester und ich die gleiche Schule besuchten (Garibaldi Secondary School) und dank ihr bekam ich an meinem ersten Schultag direkt mal eine kleine gratis Führung durch die Schule. Anschließend gab es all die Stundenpläne, man traf alte Bekanntschaften aus dem Flugzeug wieder, was auch toll war, weil man einfach Leute hatte die gerade genau das Gleiche durchmachten wie man selbst und man darüber reden konnte. Und dann natürlich: Die erste kanadische Unterrichtstunde! Meine Anspannung hielt vielleicht 5 Minuten, danach unterhielt ich mich schon mit dem Mädchen das vor mir saß. Sie war so nett und offen, fragte mich eine Menge über mein Land und antwortete auf meine unendlich vielen Fragen mit sehr viel Geduld. Zwar gab es auch mal Probleme mit der Sprache, aber im schlimmsten Notfall griffen wir einfach zum Stift und malten was wir meinten. Und so oder so ähnlich war es fast in jedem Kurs: Es fand sich immer jemand mit dem ich reden konnte! Dass es so einfach sein würde hätte ich nie geglaubt. Erst später merkte ich dann aber dass es nochmal ein bisschen länger braucht bis man richtige, feste Freunde gefunden hat. Dafür fand ich aber unter den deutschen Schülern auch gute Freunde, was meiner Sprache nicht immer gut tat, was aber all meine Kursbekanntschaften und auch meine Gastschwester locker wieder ausglichen. Der Unterricht an sich war viel lockerer als in Deutschland, und es gab auch ein viel größeres Angebot an praktischen Fächern. Ich hatte neben Mathe, Englisch, Kunst, Science, Sport, Geschichte und „English as a second language“ auch noch Kochen als Fach gewählt, was zu meinem Lieblingskurs wurde. Überhaupt war Schule etwas worauf man sich schon freuen konnte: Der Unterricht war in der Regel ziemlich einfach und die Lehrer hatten kein Problem damit wenn man einfach Musik hörte oder sich ein bisschen unterhalten hat. Die große Mittagspause (lunch) war immer total lustig, man hatte Spaß mit Kanadiern und anderen international students. Ich bin dem Schwimmclub meiner Schule beigetreten, was mich zweimal wöchentlich schon um halb sechs aus dem Bett holte. Das war schon anstrengend vor allem wenn man nach dem Training dann erst mal bis zwanzig vor drei Schule hatte. Aber trotzdem war auch das eine ziemlich gute Erfahrung, weil man einfach viel aktiver war als Zuhause. Meine Wochenenden waren immer rappel voll. Oft nahm mich meine Gastfamilie zu allen möglichen Familienveranstaltungen mit, was vor allem meine deutsche Gastgroßmutter freute. Ein Highlight war zum Beispiel Thanksgiving, wo die ganze Familie zusammenkam. Ansonsten unternahm ich viel mit Freunden, Vancouver war ein sehr beliebtes Ziel aber auch Coquitlams Mall war genial zum shoppen, und da Kino billig war kam auch das nicht zu kurz. Die Lage von Maple Ridge ist wirklich praktisch, man kann schnell nach Vancouver, ist direkt am Fuße der Berge aber auch das Meer ist nicht weit. Was ich neben Tim Hortons hier in Deutschland schmerzlich vermisse ist das sagenhaft gute Sushi wovon ich nie genug kriegen konnte und am liebsten einen Vorrat mit zurück genommen hätte. Diese drei Monate in Kanada waren ein unglaublich schönes Abenteuer für mich, das meinen Horizont um ein gutes Stück erweitert hat. Man ist nachher richtig stolz auf sich selbst, dass man so etwas ganz alleine gemeistert hat und das ist einfach ein tolles Gefühl. Ich habe viele neue Erfahrungen gemacht, gelernt dass Schule ganz anders sein kann und eine ganz neue Mentalität der Menschen kennen gelernt. Die freundliche und offene Art der Kanadier ist einfach bemerkenswert und wenn man ihnen mit der gleichen Freundlichkeit begegnet kann eigentlich nichts schief gehen. Und das man das Wort „groß“ so unterschiedlich interpretieren kann war auch neu, was vor allem bei den Autos und den Milchkanistern nicht zu übersehen war. Woran ich noch bis heute jeden Tag denken muss ist die wahnsinnig schöne Berglandschaft die einfach einmalig ist. Vor allem wenn man mitten in Vancouver steht und eine Straße runter blickt und am Ende von der langen Schlange aus glitzernden Hochhäusern die riesigen Berge erkennen kann, das ist ein unbezahlbarer Anblick. Natürlich könnte ich jetzt noch zehn weitere Seiten mit diesem Bericht füllen aber ich denke das Wichtigste sollte dabei gewesen sein. Ich bin überzeugt davon, dass jeder der dieses Land einmal in seinem Leben kennen lernen durfte den Zauber verstehen kann.