Den Moment, als ich in einem völlig fremden Bett, einem fremden Haus einer mir noch fremden Familie, nach ca. 16 Stunden Schlaf aufgewacht bin und von der strahlenden Sonne in Vancouver ja fast schon wachgeküsst wurde, werde ich niemals vergessen. Es war der Anfang von 5 unbeschreiblichen, prägenden und definitiv ereignisreichen Monaten, die ich so schnell nicht vergessen werde. Ich bin nun schon fast wieder 3 Monate in good old Germany und habe mich gut eingelebt, doch diese drei Monate waren noch nicht einmal halb so aufregend wie ein Monat in Kanada. Der erste Eindruck von North-Vancouver, das ist eine Stadt im Südwesten der kanadischen Provinz British Columbia, die am nördlichen Ufer des Burrard Inlet direkt gegenüber von Vancouver liegt, war allererste Sahne: Schon aus dem Flugzeug konnte ich die Skyline von Vancouver, das Meer, die unzähligen Berge, Strände und Wälder sehen - so etwas kriegt man echt nicht in jeder Stadt. Nach 9h Flugzeit und 9h Zeitverschiebung wurde ich also zu meiner Gastfamilie gebracht, die abends noch eine kleine typisch kanadische Barbecueparty geschmissen hat. Mit meinen zwei kleinen Gastschwestern und meiner brasilianischen Austauschschwester habe ich mich auf Anhieb gut verstanden (wobei wir alle eher unser eigenes Ding durchgezogen haben) und meine Gasteltern Charito und Tyler waren „easygoing“, total herzlich und freundlich, nur leider hat mein Glück nicht so lange gehalten: Ich musste die Familie zweimal wechseln, da sich in der ersten Gastfamilie meine Gasteltern nach einem Monat getrennt haben und die Chemie in der zweiten Familie, die noch sehr unsicher im Umgang mit Gastschülern waren, nicht ganz gestimmt hat. Doch was wäre ein Austausch, wenn immer alles glatt laufen würde? Man darf einfach nicht davon ausgehen, dass immer alles so klappt, wie man es sich zuhause vorgestellt hat, aber gerade weil es so war, kann ich behaupten, dass ich echt für mein Leben gelernt habe. Aber keine Sorge, mein Guardian vor Ort war immer für mich da und organisierte, dass ich zwei Tage später direkt in eine neue Familie ziehen konnte, die ich vorher sogar besuchen durfte. Er hat für seine Austauschschüler gelebt und weil ich mit meinen 15 Jahren und aufgrund des zweifachen Gastfamilienwechsels wahrscheinlich sein Sorgenkind war, hat er mich regelmäßig zum kleinen Talk zu Starbucks eingeladen. Meine Schulzeit dagegen genoss ich in allen Zügen, Kanadier sind von Natur aus ganz andere Menschen: immer freundlich, offen und gut gelaunt. Die Schule diente für mich eher zur Entspannung, ab und an wurde mal ein Test geschrieben, aber viel mehr wurden sportliche Events, Nationalfeiertage, Berufsorientierung und –was mir besonders aufgefallen ist- Toleranz groß geschrieben. Die kanadischen Lehrer würden nie auf die Idee kommen, Schüler zu demotivieren und sie orientieren sich daran, was ihre Schüler interessiert oder was diese lernen wollen. Auch die Fächerauswahl ist ganz anders: Ich habe mich für Marketing, Sport, „Foods and nutrition“, praktische Kunst, Mathe, Französisch, Englisch und „English as a second language“ entschieden und ich bin gerne in die Schule gegangen. Mit den Kanadiern habe ich mich schnell angefreundet, besonders mein Sportkurs war total lieb zu mir und hat zum Abschluss sogar noch eine Good Bye- Party als Überraschung organisiert. Meine Schule, die Argyle Secondary School, ist sehr groß aber ich konnte mich schnell überall zurechtfinden, außerdem bietet die High School viele Angebote und extracurricular Activities an (Sportteams, Orchester bis hin zu Umweltclubs). Zusammen mit einer anderen deutschen und einer spanischen Austauschschülerin habe ich mich dann auch gleich für das Cross Country Team der Schule angemeldet. Wir haben uns regelmäßig vor und nach der Schule zum Laufen mitten in den kanadischen Wäldern und Bergen getroffen und für wichtige Wettläufe trainiert. Im Dezember fing dann aber das Highlight des ganzen Aufenthalts an: die Skisaison! Ich hatte extra mein Skigepäck aus Deutschland mitgebracht (kann ich nur weiterempfehlen) und so konnte der Spaß anfangen. Der Grouse Mountain lag eine Busfahrt von 35 Minuten von meinem Zuhause entfernt und da dort Nightskiing möglich ist, habe ich mich auch ab und an mal nach der Schule dort mit Freunden getroffen und wir sind bis spätabends auf dem Berg geblieben und haben den Blick auf Vancouver und das Meer genossen. Ebenfalls hatte ich die Möglichkeit, Seattle (USA) zu besuchen, also das ein oder andere Schnäppchen für meine Wintergarderobe rauszuschlagen, war mit meinen zwei besten Freundinnen in Viktoria und zu guter Letzt mit meinen deutschen Eltern noch im Olympiaskigebiet Whistler eine Woche Skifahren. Zurückblickend kann ich sagen, dass diese Reise mein Leben sehr bereichert, geprägt und mich wahrscheinlich auch verändert hat. Besonders habe ich erfahren, wie wichtig es ist, eine Familie, die immer für einen da ist und einen Freundeskreis, auf den man sich verlassen kann, zu besitzen. Ich freue mich schon darauf, irgendwann mal nach Kanada zurückzukehren oder andere Austauschschüler, die mit mir dort waren, in Berlin, Frankfurt, München, Italien und Spanien zu besuchen. Es war ein Abenteuer trotz aller Schwierigkeiten und Krisen und ich kann es nur jedem weiterempfehlen, seinen Fuß in ein fremdes Land, eine neue Familie und eine neue Schule zu setzen - es lohnt sich!