So, jetzt bin ich also schon wieder seit einem Monat zurück aus Ontario, Kanada, und ich muss wirklich sagen, dass ich es kaum erwarten kann, so früh wie möglich dorthin zurückzukehren. Meine große Reise startete am 1. September in Frankfurt. Nachdem ich mich von meiner Familie verabschiedet hatte und Richtung Gate lief, konnte ich ein Grinsen nicht unterdrücken: das Fernweh hatte mich gepackt. Von Frankfurt aus flog ich mit einer großen betreuten Gruppe anderer Austauschschüler direkt nach Toronto. Dort wurde ich dann sehr herzlich von der örtlichen Koordinatorin der kanadischen Partnerorganisation begrüßt und schließlich zum Shuttlebus in Richtung Barrie, meiner künftigen Heimat, gebracht. Barrie liegt ungefähr eine Autostunde entfernt von Toronto und hat ungefähr 130.000 Einwohner. Die Stadt liegt direkt an der Kempenfelt Bay, die ein Teil des großen Lake Simcoe ist. Als ich schließlich dort angekommen war, standen meine Gasteltern schon vor dem Haus, um mich zu begrüßen. Viel Zeit hatte ich dann nicht, um sehr aufgeregt zu sein – mein Gastpapa schloss mich gleich in die Arme und die beiden zeigten mir sofort das komplette Haus. Ich kann gar nicht sagen, wie froh ich war, dass ich mich auf Anhieb so gut mit meinen Gasteltern verstanden habe. Am späteren Nachmittag kam schließlich auch meine Gastschwester aus Spanien an und bezog das Zimmer neben mir. Mit meinen Gasteltern habe ich mich eigentlich den ganzen Tag gleich gut unterhalten und hatte keine Probleme mit der Sprache. Meine Gastfamilie bestand aus meinen Gasteltern, die beide um die 60 waren und deren erwachsene Kinder bereits von zu Hause ausgezogen waren, sowie meiner spanischen Gastschwester, die wie ich für 4 Monate in Kanada blieb, aber eine andere Schule als ich besuchte. In der Familie hatten wir fast keine Probleme. Ich hatte so gesehen auch keine exakt festgelegten Pflichten im Haushalt, es wurde nur von mir erwartet, dass ich mein Zimmer sauber hielt und dass ich öfters mal meine Hilfe z. B. beim Geschirrspülen anbot. Drei Tage nach meiner Ankunft war bereits mein erster Schultag. Durch meine Gastmama habe ich aber immerhin sofort Anschluss gefunden, da sie mich vorher meiner Nachbarin Ruby vorgestellt hatte. Sie ging auf dieselbe Schule wie ich und hatte, wie sich später herausstellte, auch einen Kurs mit mir zusammen. Ich kann wohl sagen, dass ich in dieser Hinsicht großes Glück hatte, weil ich so sofort in Rubys Clique hineingeraten bin und dort wirklich tolle Leute kennengelernt habe. In meiner Schule, dem Barrie Central Collegiate, habe ich mich von Anfang an wohlgefühlt. Ich belegte dort jeden Tag die Fächer Biologie, Englisch, Fitness und Kunst, und mir hat alles ziemlich viel Spaß gemacht (na gut, vor allem Fitness und Kunst). Meine Lehrer waren wirklich nett und interessiert an mir und den anderen Austauschschülern. Insgesamt kann man wohl sagen, dass der Unterricht in Kanada lockerer ist als in Deutschland. Neben meinen Pflichtfächern habe ich im Herbst auch im Cross-Country-Team meiner Schule mitgemacht. Dadurch habe ich viele nette Leute kennengelernt und bin mit dem Team an viele schöne Plätze des Bezirks gefahren, wo wöchentlich Rennen stattfanden. Ein weiteres Highlight war sicher auch der Ausflug zur Art Gallery of Ontario in Toronto, die wir mit unserem Kunstkurs unternahmen. Es war nicht nur für jemanden Kunstbegeisterten wie mich ein tolles Erlebnis, sondern ich konnte auch in der Mittagspause mit meinen Freunden ein wenig durch Toronto laufen. Außerhalb der Schule haben meine Gasteltern sehr viele Ausflüge mit meiner Gastschwester und mir unternommen. Die Niagarafälle, Toronto, Wasaga Beach, ein Preiselbeeren-Festival, eine Wanderung mit traumhafter Landschaftskulisse und eine Theateraufführung sind nur einige großartige Dinge, die ich sehen und erleben durfte. Außerdem schien die Lieblings-Freizeitbeschäftigung meiner spanischen Gastschwester Shopping zu sein, was dazu führte, dass wir (sehr zum Leidwesen meines Gastvaters) fast jedes Wochenende zu irgendeiner Mall fuhren. Im Dezember, meinem letzten Monat, war schließlich der kanadische Winter in Barrie angekommen. Davon abgesehen, dass wir den ganzen Monat lang Schnee hatten, gingen die Temperaturen auch gerne mal auf bis zu -25°C herunter. Die Gelegenheit, so viel Schnee zu haben, musste ich natürlich nutzen und ging kurz vor meiner Abreise noch einmal mit meiner Freundin Ski fahren. Insgesamt kann ich nun sagen, dass die Zeit in Kanada auf jeden Fall eine unglaubliche Erfahrung war und mir sehr viel gebracht hat. Es hat nicht nur mein Englisch davon profitiert, sondern ich habe eine tolle Kultur und ein sehr schönes Land kennengelernt und, wie ich hoffe, Freunde fürs Leben gefunden. Mit meinem Gastpapa zum Beispiel stehe ich jetzt in engem E-Mail-Kontakt und er bezeichnet sich als meinen „kanadischen Vater“. Ich habe jetzt schon wieder Fernweh nach Kanada und kann jedem nur raten, die Erfahrung eines Auslandsaufenthaltes dort auch zu machen. Die meisten Kanadier sind sehr offen und zeigen ein großes Interesse an anderen Kulturen, was es einem wirklich leicht macht, Anschluss zu finden und zurechtzukommen.