Jetzt ist Weihnachten schon vorbei und am letzten Tag dieses Jahres habe ich es endlich geschafft mich hinzusetzten und zurück zu schreiben. Wie mein Leben hier so ist? Ich kann nur sagen: ein Abenteuer. Was hier für die Leute Alltag ist, finde ich jedesmal super interessant. Die Shoppingmalls sind so groß, dass man die Decke fast nicht mehr sehen kann, alles im selben Geschäft zu haben, von Golfschlägern über Backpulver, Gartenteiche, Fahrräder und Kajaks, ist einfach mehr als praktisch. Es gibt keine Bürgersteige, weil “die Straßen dann sauberer aussehen”, dafür aber überquellende Weihnachtsdekoration an jedem Haus, und da Christmas schon vorbei ist, kommt bald die Osterdekoration – und dann natürlich die ständige Sprachkonkurrenz zwischen patriotischen Quebecern und den englischen “Eindringlingen”. Wenn Menschen zusammen kommen, gibt es nichts Erquickenderes, als über die anderen herzuziehen. Leute wechseln mitten im Satz die Sprache, sprechen sogar im Mix, und auf der Straße sieht man zuweilen Personen, die mit ihrem Gegenüber in einer anderen Sprache diskutieren. Aber wen stört es? Versteht ja sowieso jeder beides – na ja, mehr oder weniger. Am Anfang konnte ich keinen Satz ohne Englisch-Französisch-Deutsch-Mix herausbringen und jetzt merke ich schon gar nicht mehr wenn ich zwischen den Sprachen wechsle. Meine Gastfamilie ist einfach super. Sie wollen sicher gehen, dass ich so viel wie möglich vom Land hier sehe. Wir waren schon in Philadelphia, New Jersey, New York, Vermont; Quebec City und Ottawa sollen bald folgen. Wie es so in der Schule läuft? Die nimmt hier den größten Teil des Tages ein: um 4:00 p.m. ist erst Schluss, dann steige ich um 4:45 p.m. aus dem Schulbus und zu Hause warten noch die ganzen Hausaufgaben und Projekte. Dafür kann man dann aber auch ausschlafen: Schulbeginn 9:30 a.m. Man kommt gar nicht drum herum, Kontakte zu knüpfen, aber ich musste doch sehr meine anfängliche Erwartung korrigieren, direkt beste Freunde zu finden. Gute Freundschaften müssen wachsen – und das tun sie auch. Da auf meiner Schule mehr als 80% Immigrants sind, finde ich Freunde aus aller Welt, vor allem aus dem arabischen Raum und Haiti. So wurde ich schon fast zum Islam bekehrt (ist natürlich etwas übertrieben, aber es ist interessant, etwas anderes kennen zu lernen) und habe mit haitischen Volkstänzen Bekanntschaft gemacht. Man kommt hier an und hat auf einmal seine vollen 24 Stunden pro Tag Zeit mit Sachen voll zu planen, die man vorher noch nie ausprobiert hat. So bin ich einer Pfadfindertruppe beigetreten mit der wir Campen gehen, auf Skipisten arbeiten gehen um Geld für Ausflüge zu sammeln, alten Leuten helfen, Parties organisieren und vieles mehr. Dann gehe ich jetzt auch jeden Sonntag ins Orchester und habe hier angefangen Salsa zu lernen. Mit der Zeit, ist mir die ganze Umgebung hier richtig ans Herz gewachsen und mit meiner Gastmutter habe ich eine so innige Beziehung, wie ich es nie für möglich gehalten hatte. Zum Schluss wollte ich noch eine Sache loswerden, für alle, die über einen Austausch nachdenken: Man kann nicht steuern, wie nett oder weltoffen die Menschen sind, mit denen man konfrontiert wird, die Gastfamilie, Schule, überall, aber bei allen nicht so netten sind auch immer sehr nette dabei, und was immer auch passiert: man nimmt seine Erfahrung daraus mit – für immer. Und ich kann euch sagen – ich habe noch nie so viel über die Menschen und mein Leben in dieser Welt nachgedacht wie hier. Ein Austausch bringt einen egal mit welchen Begebenheiten einen großen Schritt nach vorne. Franca Hoffmann Pointe-Claire, Québec