Erfahrungsberichte aus Wanaka

Mt. Aspiring College: Lena C.

Aussicht Mount Roy

Aussicht Rocky Peak

Baum im Wasser Lake Wanaka

Clutha River

Hobbiton Matamata

Lake Wakatipu

Mount Aspiring Track

Paihia

Rotorua Geysir

Treble Cone Summit

Wanaka

Auslandsjahr in Wanaka, Neuseeland Am Anfang fühlt es sich alles noch ganz harmlos an: Man füllt eine Bewerbung im Internet aus, wird zu einem Interview eingeladen und erhält nach Annahme so viel Papierkram, dass die größte Sorge ist, alles richtig wieder zurückzuschicken. Dann passiert eine Weile lang kaum etwas, einige Zeit vergeht, bis man feststellt: In einem Monat bin ich in Neuseeland. Das erste Mal richtig realisiert habe ich das, als ich einen Zettel mit einer Beschreibung meiner Gastfamilie bekam, dazu ein paar Sätze meiner künftigen Gastmutter.
Ich glaube der erste schwere Schritt ist, seine Gasteltern zu kontaktieren. Ich saß da und wollte bloß nichts falsches schreiben, damit sie keinen schlechten Eindruck von mir erhielt. Aber ich kann da jeden beruhigen; man muss nicht besonders formal sein oder gebildet klingen. Den Eindruck vermittelte meine Gastmum mir jedenfalls bereits mit ihrer ersten Mail.
Kurz nach dem ersten Kontat, so fühlte es sich an, ging es dann schon los. Ein halbes Jahr lang würde ich weder meine Familie noch meine Freunde sehen. Ich glaube, eigentlich sollte einem das Sorgen bereiten, aber ich war nicht wirklich aufgeregt. Die Aufregung kam irgendwie erst viel später, als ich schon ein paar Wochen in Wanaka war. Der Flug ist lang und – leider – deshalb auch sehr unangenehm. Ich bin von Frankfurt über Singapur (mit ein paar Stunden Aufenthalt an dem zugegebenermaßen faszinierenden Flughafen) nach Auckland und danach sofort nach Wellington geflogen. Auf dem zehnstündigen Flug nach Auckland machte ich auch meine erste Bekanntschaft mit zwei Kiwis in meinem Alter. Einer von beiden unterhielt sich mit mir und half mir, die teilweise verwirrende „Immigration form“ auszufüllen und mich ein bisschen von dem Flug abzulenken, in dem er sich sehr lange und geduldig mit mir unterhielt. Und glücklicherweise kann ich rückblickend sagen: so sind die meisten Neuseeländer, auch wenn manche erst etwas auftauen müssen.
Meine ersten Gasteltern in Wellington waren sehr freundlich, ein älteres Ehepaar mit Erfahrung was Internationals betraf. Generell war die Woche ein schöner Anfang, da man so noch mal ein bisschen Tourist spielen durfte, bevor es ernst wurde. Doch die Woche war schnell rum und bevor ich wusste, wie mir geschah, saß ich im Flugzeug nach Queenstown. Als ich dort ankam passierte mir das schlimmste, was einem in einer solchen Situation passieren kann: Ich konnte meine Gastmutter nicht finden. Und musste schließlich noch nach Wanaka (und eine gute Verbindung zur Außenwelt hat dieses Städtchen wirklich nicht). Gott sei dank fiel mir ein, dass ich ihre Handynummer hatte und so fanden wir einander doch noch. Das klingt nicht so spektakulär wenn man es liest, aber die Situation wünsche ich trotzdem keinem.
Meine Gastmutter war dann allerdings der freundlichste Mensch, der mir je begegnet war. Es gab auf der einstündigen Fahrt nach Wanaka keine ruhige Minute; es war gleichzeitig lustig und verwirrend, als ich herausfand, dass sie Österreicherin ist. Spricht also sehr gut Deutsch (was wir aber normal nicht taten). Im Verlauf der Woche füllte sich unser Haus noch; meine neuseeländische Gastschwester (17) kam aus dem Urlaub wieder, ein thailändisches Mädchen (16) kam vom Besuch bei ihrer Familie zurück und am Ende der ersten Woche schloss sich noch ein Brasilianer (16) unserer kleinen Familie an. Mein Gastvater war auf Fidschi und während meines Aufenthaltes nur zweimal da; erinnern wird er sich an mich vermutlich hauptsächlich wegen meinen Cupcakes. Ein so volles Haus ist das beste, was mir passieren konnte, denn ehrlich: die ersten Wochen sind alles andere als einfach und so hat man immer jemanden, mit dem man reden und Sachen unternehmen kann (Ich habe endlich Pokern gelernt). Und auch danach wird es nicht langweilig; jeder hat andere Sachen zu erzählen und, ehrlich, in einem Ort wie Wanaka ist Tratsch meist das Hauptthema.
Meine neuseeländische Schwester ging in meine Stufe (Year 12), was ich für eine gewisse Sicherheit hielt, aber im Endeffekt hat es mir kaum was gebracht. Letztendlich hatten wir ganz verschiedene Freundeskreise, aber das hatte eigentlich mehr Vor – als Nachteile. Ich weiß noch, dass ich mir vorgenommen hatte, mich von den Internationals fernzuhalten, um am Ende nicht nur deutsche Freunde dort zu haben. Aber das ist so viel leichter gesagt als getan und im Ernst, es ist auch nicht der perfekte Plan. Ich habe festgestellt, dass es vor allem in den ersten Wochen gut ist; die anderen kennen nämlich auch niemanden, und dann sitzt man nicht allein zu Hause, sondern entdeckt zusammen die „town“ nach Schulschluss oder am Wochenende. Und „alte“ Internationals sind dann auch eine ganz großartige Möglichkeit, die Kiwis besser kennenzulernen, denn sie haben ja schon Freunde unter ihnen. Das heißt nicht, dass so ein Auslandsaufenthalt nicht etwas Mut und Offenheit und Durchhaltevermögen fordert. Am Anfang musste ich mich oft zusammenreißen, um positiv an den Tag heranzugehen, Leute anzusprechen, mit Leuten im Gespräch zu bleiben, und den Alltag generell zu meistern.
Das klingt jetzt erst mal ganz schrecklich, aber es dauert nicht lange, bis von den Kiwis was zurückkommt, und die sind die kreativsten Menschen, die es gibt. Einem wird da nicht langweilig, wenn es nichts zu tun gibt, dann erfindet man halt etwas. Wenn es nur eine Fastfoodkette gibt, dann geht man da eben bis zum Umfallen hin. Wenn man in die Stadt geht, dann trifft man schon jemanden, den man kennt. Wenn man mal nichts vorhat, dann fragt man einen Neuseeländer: dann hat man was vor. Nur wer ohne Partys nicht leben kann, der sollte sich Wanaka vielleicht nicht als Ziel aussuchen, denn gefeiert wird da nur an Geburtstagen (und nach dem Formal (Term 2) – das ist ein anderes Wort für das amerikanische Prom -/Prize Giving (Term 4)), und groß feiern wenige.
Da ich im Winter da war, konnte ich auch Ski fahren lernen (ja lernen), was nicht nur anstrengend sondern auch aufregend war; ich habe dabei jede Menge Menschen von überall her kennengelernt. Die Outdoor Activities sind sowieso unangefochten Wanakas Markenzeichen, was es auch zu einem beliebten Touristenziel macht (aber es ist nicht so überlaufen wie Queenstown). Ob Klettern, Kanu, Kayak oder sogar Jetski (kommt auf die Familie an) fahren, Mountainbiken (was in meiner Familie nur bei meiner Gastmutter beliebt war; für mich war ins benachbarte Albert town fahren das höchste der Gefühle), Wandern oder Schwimmen – für jeden ist was dabei, und es gibt viel auszuprobieren, vor allem wenn man das Fach Outdoor Pursuit belegt. Ich glaube, eine Kanutour mitten im Nirgendwo auf einem Fluss wie aus „Herr der Ringe“, gehört zu einem der Erlebnisse, die ich nie vergessen werde. Genau wie Snowcaven; auch wenn ich sagen muss, dass mich sicherlich niemand mehr dazu kriegt, in so etwas zu schlafen, war es doch eine tolle Erfahrung und hat auch wirklich Spaß gemacht. Man ist nie so dankbar für warmes Essen, wie wenn man grade zwei stabile Schneehöhlen gebaut hat.   
Outdoor Pursuit ist grundsätzlich das entspannenste Fach in der Schule (einmal in der Woche gibt es die Praxisstunden, die alles andere als entspannend sind), und mein Rat an dieser Stelle ist, sich keinen Kopf um die Kurse zuhause zu machen, und dort das zu belegen, was man wirklich machen möchte. Meine Fächer waren Tourismus, Englisch, Mathe, Drama und Chemie, und keines dieser Fächer wird in Wanaka unterrichtet wie in Deutschland. Die Lehrer sind wesentlich „umgänglicher“, man respektiert sich gegenseitig, aber man ist auch auf einer freundschaftlicheren Basis dort, als es in Deutschland normal ist. Das soll nicht heißen, dass man irgendwie zusammen seine Freizeit gestaltet, aber man kann einfach Fragen stellen, die hier gar nicht gehen, oder Witze machen, für die man hier rausgeschmissen würde (auch wenn Kiwis die Grenze gerne mal überschreiten), oder einfach kreativ diskutieren und tatsächlich durchsetzen, was man für sinnvoll hält. Es gibt nicht den „einen“ richtigen Weg, sondern Möglichkeiten, und das überträgt sich auf das gesamte Lebensgefühl dort; man fühlt sich einfach gut und glücklich in so einer Umgebung.
Das Mount Aspiring College ist in vier Häuser eingeteilt, aber anders als in Hogwarts merkt man davon recht wenig. Der Tag beginnt mit 10 Minuten Whanau (Anweseneheitskontrolle, eine Möglichkeit für willkürlich zusammengewürfelte jüngere und ältere Schüler, sich besser kennenzulernen), und dann beginnt der Unterricht. Man hat fünf Stunden pro Tag, zwischendurch zwei (sehr) lange Pausen, Montags gibt es sog. „Year levels“ (die Stufe setzt sich zusammen und der Dean spricht über verschiedene Dinge), Mittwochs findet in der ersten Pause das Assembly (die ganze Schule wird über neue Ereignisse informiert) statt, und in der zweiten Pause dürfen zumindest Year 12 und 13, die übrigens auch keine Uniform tragen müssen, in die Stadt.
Das Gelände ist überschaubar, mit Plan findet man sich schnell zurecht und für einen International ist das ILC, der International Language Center, das wichtigste Gebäude. Dort kümmern sich die „ILC-Ladies“ um ihre Schützlinge, dort werden Geburtstage gefeiert und außerdem Neuigkeiten verkündet und, für die, die nicht gerne in eine reguläre Englischklasse wollen oder einfach nicht dürfen, wird dort Esol (Englisch für Fremdsprachler) unterrichtet. Wenn man allerdings mit den Kiwis Englisch haben möchte, was mir sehr viel Spaß gemacht hat, sollte man das auch klar und deutlich sagen.
Außerdem organisiert das ILC für die letzten vier Wochen des vierten Terms sog. ILC-trips, auf denen man noch viel mehr von Neuseeland entdeckt und außerdem Internationals aus anderen Ländern kennenlernt. Und man ist wirklich glücklich, wenn man nach Hause kommt und sich denkt: Ich kenne Leute in Brasilien, Italien und Japan und jetzt überall in Deutschland. Eine Lehrerin meinte einmal zu uns, dass es genial ist, Menschen in anderen Ländern zu kennen, denn wenn man dorthin reist, sieht man nicht nur den üblichen Tourikram, sondern auch Orte, die man sonst nie gefunden hätte, oder Restaurants, in denen man sonst nie gegessen hätte, und das ist etwas einmaliges.
Abschließend kann ich nur sagen, dass das einzig schlimme an meinem Aufenthalt war, dass ich wieder gehen musste. Ein halbes Jahr schien mir viel zu kurz zu sein, Heimweh gab es nicht, das Gefühl, das man dort hat, lässt sich in Deutschland nicht nachstellen und man gewinnt Wanaka und vor allem die Leute dort – trotz vieler Dramen, in denen man von den Kiwis aus gerne eine Rolle spielen darf – wirklich lieb, und weiß nicht, ob man sie je wiedersehen wird. An meinem letzten Abend war ich mit Freunden im Kino und vor dem von einem Kiwi gedrehten Film (dessen Name nicht so schwer zu erraten sein sollte) kam ein Video, in dem es darum ging, wie toll Neuseeland, die Leute und die Landschaft, ist, und als es vorbei war, klatschte das ganze, ausverkaufte Kino, ich eingeschlossen. Weil es einfach wahr ist. Im Flugzeug nach Christchurch meinte eine Frau zu mir: „Nothing is quite like it (Neuseeland).“ Einen besseren Fazitsatz hätte ich mir nicht ausdenken können.    

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