Kia ora! Dort, wo die Sonne im Westen untergeht, wo Weihnachten auf Sommer fällt und überall Palmen am Straßenrand wachsen, dort ist das andere Ende der Welt: Neuseeland. Eine unwirklich grüne und lebendige Insel neben dem staubtrockenen Australien, ein Land mit gerade einmal vier Millionen Einwohnern und neun Mal so vielen Schafen. Es ist der Ort, an dem ich vor Kurzem drei Monate verbracht habe, an dem ich zur Schule gegangen bin, Teil einer Gastfamilie war und dessen außergewöhnlichen Charme, umwerfende Natur und wundervolle Menschen ich kennenlernte. Nachdem ich alles über Neuseeland verschlungen hatte, was es zu sehen und zu lesen gab, starte für mich das größte Abenteuer meines Lebens mit einem endlos langen Flug, den ich jedoch wegen meiner Aufregung gut überstand, ohne dass Langeweile aufkam. Meine erste Gastfamilie, bei der ich in der Vorbereitungswoche in Auckland wohnen würde, empfing mich und zwei weitere deutsche Mädchen bald nach unserer Landung. Das sympathische Ehepaar, das ursprünglich aus Schottland stammt, war sehr freundlich zu mir und wir lagen sofort auf der gleichen Wellenlänge. Diese erste Woche in der wunderschönen Stadt Auckland, in die ich mich sofort verliebte, war ein voller Erfolg! Jeden Tag gab es tolle Unternehmungen, zum Beispiel fuhren wir auf die Spitze des Sky Towers, dieses riesigen spritzen-förmigen Turmes, von dem aus man die ganze Stadt samt dem gigantischen Hafen überblicken kann. Natürlich war ich anfangs wegen des Jetlags noch sehr müde, doch trotzdem konnte ich meine ersten Tage in NZ so sehr genießen, dass ich eigentlich nicht mehr weg wollte. Doch nach dem vielen Sightseeing wurde ich im Bus zu meinem endgültigen Ziel gefahren, dem kleinen Städtchen Warkworth, das fast unmittelbar am Strand liegt. Dort besuchte ich zusammen mit 15 weiteren deutschen Austauschschülern das Mahurangi College. Doch bevor es in die Schule ging, lernte ich noch meine zweite Gastfamilie kennen, drei bezaubernde Menschen, die ich im Laufe meines Aufenthaltes so zu schätzen lernte, dass ich mich am Ende nicht mehr von ihnen trennen wollte. Sie wohnten an einem der schönsten Flecken Neuseelands, umgeben von den charakteristischen grünen Hügeln, zusammen mit jeder Menge Hunde, Katzen, Schafen, Geflügel, Kühe und einem riesigen Schwein. Eine Mini- Farm, an die ich mich schnell gewöhnte. Es dauerte etwa eine Woche, bis ich mich richtig eingelebt hatte und das Leben mit meiner neuen Familie richtig zu genießen begann. Wenn ihr anfangs Heimweh habt, euch nicht mit eurer Gastfamilie versteht oder euch mit den anderen Gewohnheiten nicht zurechtfindet: Verliert den Mut nicht! All das wird sich ändern, wenn ihr euch erst richtig eingelebt habt! Und wenn ihr dann immer noch Probleme mit der Familie haben solltet, gibt es auch die Möglichkeit, sie zu wechseln. Das solltet ihr aber wirklich nur machen, wenn es wirklich nicht anders geht. Die nächste Hürde war die Schule: Ich hatte schon viel Positives von dem College gehört und konnte es nicht erwarten, meine eigenen Erfahrungen zu machen. So machte ich mich also am ersten Schultag des neuen Terms auf und wurde mit allen anderen neuen von dem freundlichen International Student Coordinator Peter Johnston empfangen, der über meinen ganzen Aufenthalt ein stets hilfsbereiter Ansprechpartner war. Nach einer kleinen Einführung in die Regeln und die verschiedenen Angebote der Schule, wurde uns das gesamte Schulgelände gezeigt. Es ist so riesig, dass ich mich erst nach einer Woche zwischen den vielen einstöckigen Häusern, Sporthallen, Rugbyfeldern und Fachblöcken zurechtfand. Doch zum Glück gab es die hilfsbereiten Schüler, die mich gerne zu meiner nächsten Stunde begleiteten, wenn ich mich mal wieder verlaufen hatte. Nach der Führung kauften wir unsere Schuluniformen, die an den meisten neuseeländischen Schulen Pflicht sind. Über dieses Thema gibt es natürlich viele Diskussionen. Ich persönlich mochte die Vorteile, die eine solche Regelung mit sich bringt, besonders das tolle Gemeinschaftsgefühl! Dann bekamen wir noch unsere Stundenpläne und wurden entlassen. Am nächsten Tag dann begann der eigentliche Schulalltag, den ich sofort mochte, im Gegensatz zu dem in Deutschland. Meine fünf Fächer, die ich in Klasse 11 wählen durfte, hatte ich jeden Tag 60 Minuten lang, immer in einer anderen Reihenfolge: English, Textiles, Drama, Physical Education und Mathmatics. Alle diese Fächer waren relativ leicht zu bewältigen und machten mir enormen Spaß. Die Sprache bereitete mir keine Probleme, im Gegenteil: In Schreibwettbewerben, die im Englischunterricht stattfanden, konnte ich mich teilweise sogar gegen die Kiwis behaupten! Ich lernte sofort neue Leute kennen, nicht nur aus meinen Kursen, sondern auch aus dem Whanau (maori: Familie), einer Art Klassengemeinschaft, die sich zweimal am Tag traf, um Organisatorisches zu besprechen und etwas zu unternehmen. Einmal in der Woche gab es zusätzlich noch eine Versammlung in der Assembly Hall, wo Reden gehalten und neueste kulturelle Kostproben gegeben wurden. Es herrschte ein regelrechter Fanatismus um Sport, besonders um Rugby, keinen Sport zu betreiben war schon fast ein Sakrileg. Ich versuchte bei allen Nachmittagsaktivitäten mitzumachen, die mich interessierten. Das stellte sich jedoch angesichts der riesigen Angebotes als ein Ding der Unmöglichkeit heraus. Ich war im Chor, im Schwimmteam und im Kapa Haka, der Maorigruppe, wo ich traditionelle Tänze und Gesänge lernte und zu verschiedenen Gelegenheiten aufführte. Außerdem war ich sehr engagiert in meinem Theaterkurs, wo ich bei zwei Stücken mitwirkte. Alles in Allem hat mich diese Schule einfach umgehauen: die vielen Fächer und kulturellen, wissenschaftlichen und sportlichen Angebote, von denen man in Deutschland nicht einmal träumen kann, die interessanten und außergewöhnlichen Veranstaltungen, doch am meisten beeindruckten mich die Menschen, Lehrer wie Schüler, die mit solch einer Selbstverständlichkeit zusammenhielten, sich gegenseitig unterstützten und Spaß hatten, wie ich es noch nie gesehen habe. Diese Leute wissen, wie man lebt! Es war überhaupt nicht schwer, neue Freunde zu finden, weil alle auf mich zukamen und interessiert waren. So habe ich jede Menge Kiwis kennengelernt. Natürlich habe ich auch mit den anderen Deutschen viel gesprochen, jedoch wollte ich lieber Sachen mit den Neuseeländern unternehmen, denn schließlich hatte ich diese Chance nur einmal. Zwar ist das leben in „Down Under“ in mancher Hinsicht anders, als auf dieser Seite der Erde, doch gerade das machte für mich den Reiz dabei aus. Innerhalb kürzester Zeit begann ich selbst, wie ein echter Kiwi zu denken und mich mit dem Lifestyle zu identifizieren. Was mir am Anfang noch seltsam erschienen war, zum Beispiel wie man nur mitten im (zugegeben sehr milden) Winter barfuß in die Schule oder zum Einkaufen gehen konnte, machte ich bald genauso. Auch an den Wochenenden kam niemals Langeweile auf, weil meine Gastfamilie mir so viel von ihrem Land zeigte wie möglich und mich überall hin mitnahm. Das war genauso selbstverständlich, wie dass ich die normalen Rechte und Pflichten eines vollwertigen Familienmitgliedes hatte. So schaffte ich es, während meinem doch relativ kurzen Aufenthalt sehr viel von der Nordinsel zu sehen. Weil Warkworth nur eine knappe Autostunde von Auckland entfernt ist, fuhren wir häufig zum shoppen dorthin. Auf diesen spontanen Spritztouren bemerkte ich immer wieder, wie unglaublich offen die Menschen in Neuseeland sind, wie interessant die Kultur und wie atemberaubend die Landschaft. In meiner letzten Woche sah ich noch einmal viele berühmte Sehenswürdigkeiten: Die Bay of Islands, Rotorua, Cathedral Cove und Matamata, wo Teile von „Der Herr der Ringe“ gedreht wurden. Der Abschied von all diesen lieben Menschen und von dem Land selbst viel mir sehr schwer, weit schwerer als mich damals von meinen Eltern zu verabschieden, um in die große weite Welt zu gehen. Ich hatte mir viel von meinem Besuch am anderen Ende der Welt erwartet, doch was ich tatsächlich erlebte, ging weit über alles hinaus, was ich mir je hätte vorstellen können. Ich wäre gerne länger im Land meiner Träume geblieben, das war allerdings nicht möglich. Doch ich werde mich immer an diese tolle Zeit erinnern, die mein Leben und meine Sicht auf die Welt so drastisch veränderte. Ich werde auf jeden Fall zu den Kiwis zurückkehren, ob als Au Pair, zum Studium, Work&Travel oder um dort zu leben, steht noch offen. Hier noch ein paar Tipps für euch: Wenn ihr es euch leisten könnt, bleibt länger als drei Monate, es sei denn, ihr seid euch nicht sicher und wollt erst einmal ausprobieren, ob dies das Richtige für euch ist. Lasst euch fallen, seid offen für alles, nehmt euch Zeit, die Menschen kennenzulernen, alles weitere wird von selbst kommen. HAVE FUN!!! Denn das ist die Hauptsache. Lasst euch nicht von dem Druck unterkriegen, der euch gemacht wird, oder den ihr euch selbst macht. Erwartet nicht, von einem Tag auf den anderen erwachsen zu werden, neue Freunde zu finden und weltoffener zu sein: Diese Dinge brauchen Zeit und vieles wird euch auch erst klar werden, wenn ihr schon wieder zurück seid. Doch vorerst wünsche ich euch viel Erfolg bei eurem ganz eigenen Abenteuer!