Erfahrungsberichte aus Norwegen

Das norwegische Schulsystem gilt als eines der besten weltweit und der Umgang mit den Lehrern ist auch ganz anders als in Deutschland. Das auch die Sprache keine Hürde ist, zeigen die Erfahrungsberichte anderer Austauschschüler.

Charlotte in Norwegen

Um ehrlich zu sein, wollte ich zuerst gar nicht nach Norwegen gehen, sondern nach Finnland. Ich bereue jedoch nichts!

Hallo, ich heiße Charlotte, bin 17 Jahre alt und während des Schuljahrs 2019/20 habe ich in Norwegen in einer Gastfamilie gelebt.

Um ganz ehrlich zu sein, wollte ich zuerst gar nicht nach Norwegen gehen, sondern nach Finnland. Nach einigen Versuchen bin ich dann bei IST und in Norwegen gelandet. Ich habe es nicht bereut. Eher im Gegenteil.
Inzwischen könnte ich mir sogar vorstellen irgendwann dort zu leben oder zu studieren.

Mein Auslandsjahr begann am 15. 98. 19 m 5 Uhr morgens, als ich aufgestanden und von meiner Mutter zum Flughafen in Hannover gefahren wurde. Der Abschied von meiner Familie war schon traurig und es war ein komisches Gefühl zu wissen, dass ich sie ein ganzes Jahr lang nicht sehen würden. Spätestens im Flugzeug war dieses Gefühl dann aber auch vorbei.
Zuerst bin ich nach Kopenhagen zu einem Vorbereitungscamp der Partnerorganisation von iST geflogen. Dort haben sich alle Austauschschüler*innen, die nach Dänemark, Norwegen oder Schweden gegangen sind, getroffen und zwei Tage lang hilfreiche Dinge erfahren, die mal als Schüler*innen in einem fremden Land und einer fremden Familie wissen muss. Zusätzlich konnten wir Freundschaften schließen und haben schon mal einige unserer „Are Represantatives“ kennengelernt, die später für uns verantwortlich waren. Am Samstag nach dem Mittagessen ging es endlich weiter nach Norwegen zu unseren Gastfamilien. Ich bin am Flughafen nur von meiner Gastmutter abgeholt worden. Der Rest meiner Familie war zuhause und hat mich gespannt erwartet. Die Fahrt zu meinem neuen Zuhause dauerte etwa anderthalb Stunden und es war komisch sich in dieser Zeit mit jemandem zu unterhalten, den ich nur von Fotos kannte und bei dem ich wusste, dass er jetzt ein Jahr mit mir zusammenwohnen würde. Es hat dann ziemlich gut geklappt.
Meine Gastfamilie bestand aus meinen Gasteltern, meinen vier jüngeren Gastgeschwistern (drei Mädchen und ein Junge), einem Kater und einem Hund. Zusammen haben wir in einem Haus direkt am Randsfjord, etwa anderthalb Stunden nördlich von Oslo, gewohnt.
Nach einem Familientag, an dem wir uns etwas besser kennenlernen konnten, startete direkt am Montag die Schule.
Ich hatte echt Schiss, alleine zu sein oder verloren zu gehen und war sehr aufgeregt. Zum Glück gab es an meiner noch zwei andere Austauschschülerinnen von anderen Organisationen, die ich an meinem ersten Tag kennengelernt habe. Außerdem hatte ich eine Ansprechpartnerin, die mich das ganze Jahr über begleitet hat. Sie hat mir am ersten Schultag auch die Schule gezeigt und mich zu meiner Klasse begleitet.

Die Schule in Norwegen unterscheidet sich in vom Schulsystem in Deutschland. Die Grundschule geht bis zur siebten Klasse, hier bekommt man noch keine Noten. Nach diesen sieben Jahren geht man dann bis zur zehnten Klasse auf eine Art Mittelschule, auf der man auf die letzten drei Jahre (Oberstufe) vorbereitet wird, zum ersten Mal Nynorsk lernt und Noten bekommt. Nach der zehnten Klasse ist die Schulpflicht wie in Deutschland beendet, die meisten gehen danach noch weiter auf eine Schule, die die letzten drei Jahre umfasst. Hier kann man alles machen und zwischen vielen Linien wählen. Zum Beispiel Kunst, Musik, Theater, Elektrik, Bau, Ökonomie, Fotografie und Medien und Studienvorbereitung. Die meisten Austauschschüler kommen je nach Alter in die 10, 11 oder 12 Klasse und meistens in den Zweig der Studienvorbereitung. Dieser entspricht am ehesten unserer Oberstufe.

Am ersten Schultag konnte ich neben der Pflichtfächer Norwegisch, Geschichte, einer Sprache und Sport verschiedene Fächer wählen und hatte am Ende noch Soziologie, Mathe auf dem mittleren Niveau, internationales Englisch und später auch Biologie.
Ich habe schnell Anschluss gefunden und bin in den meisten Fächern gut im Unterricht mitgekommen, obwohl ich anfangs kein Wort Norwegisch konnte. Nur in Soziologie und Norwegisch hatte ich Startschwierigkeiten, aber auch das hat sich nach den Herbstferien erübrigt. Meine Klasse war sehr nett, die Lehrer haben sich viel Mühe gegeben und waren sehr motiviert.
Freunde in der Schule zu finden hat sich als eher schwierig herausgestellt, da alle schon einen Freundeskreis hatten und man auch selbst ziemlich viel Initiative ergreifen muss, um eine Freundschaft aufzubauen.
Insgesamt mochte ich die Schule sehr gerne und habe mich dort sehr wohlgefühlt. Allein deswegen würde ich schon jedem empfehlen nach Norwegen zu gehen.

Meine Gastfamilie wurde schnell zu MEINER Familie und ich wurde von Anfang an in den Alltag integriert und nicht wie ein Gastkind sondern wie ein eigenes Kind behandelt. Mit allem was dazu gehört. Ich habe auch mal Ärger bekommen und hatte Pflichten, denen ich nachkommen musste. Meine Gastgeschwister waren wirklich großartig und haben mich überall mit hingenommen. Da sie kein oder nur sehr wenig Englisch sprechen konnten, musste ich schnell Norwegisch lernen. Anfangs lief die Verständigung aber meistens über Hände und Mimik, später über einzelne Wörter und dann endlich über ganze Sätze und längere Unterhaltungen. Meine Gasteltern waren echt toll, haben sich sehr viel Mühe mit mir gegeben und mich super unterstützt. Ich habe sie alle sehr liebgewonnen und am Ende war es traurig sie zu verlassen.

In meiner Freizeit habe ich in einem Orchester gespielt. Meine Gasteltern hatten das bereits im Vorfeld für mich organisiert und es war aufregend und richtig klasse! Ich hatte Freunde, habe musikalisch viel Neues gelernt und hatte ziemlich viel Spaß. Wir haben einige Konzerte gespielt und sogar mal an einem Wettbewerb teilgenommen. Dort sind wir allerdings letzter geworden. Am Nationalfeiertag, dem 17. Mai haben wir in Uniform gespielt. Wegen Corona wurde der Nationalfeiertag etwas anders als sonst gefeiert und trotzdem war es ein Erlebnis.

Ein weiteres Highlight meines Jahres war der Winter. Ich war zum erstem Mal Skifahren, sowohl Langlaufen als auch Downhill, habe zum ersten Mal bis zu den Knien im Schnee gestanden, bin viel und sehr schnell Schlitten gefahren, habe erlebt wie es ist, wenn es nur ca. 6 Stunden am Tag hell ist und habe gelernt, warum man beim auf den Bus warten Warnweste braucht.
Im Winter hatte ich hauch Geburtstag. Es war merkwürdig nicht zuhause zu sein, aber gleichzeitig schön mal einen ganz anderen Geburtstag zu erleben.
Weihnachten war auch anders als ich es bisher kannte, anders und zugleich schön. Ich bin um den Tannenbaum getanzt, habe leider nicht die Mandel in der Risengrynsgrot gefunden und Medisterkaker und Robbe gegessen. Das war sehr lecker und unglaublich toll. Meine Familie in Deutschland habe ich in dieser Zeit ein bisschen vermisst.

Im März kam Corona und alles wurde auf den Kopf gestellt. Meine Gastmutter meinte später nochmal zu mir: „Immerhin, du wirst nie vergessen wann du in Norwegen warst, in dem Jahr als Corona kam“. Plötzlich hatte ich Schule von zuhause aus, durfte keine Freunde mehr treffen, wusste zwischendurch nicht wirklich, was mit meiner Familie in Deutschland passiert und konnte nicht mehr zu Orchesterproben und dem zweiten Wettkampf, an dem wir noch teilnehmen wollten. Auch eine Klassenfahrt nach Frankreich und die Orchesterfahrt nach Spanien wurden abgesagt. Erleichtert bin ich gewesen, als die Entscheidung fiel, dass ich Norwegen nicht verlassen musste und mein Austauschjahr wie geplant beenden durfte. Im Vergleich zu anderen hatte ich es nämlich gut getroffen: wir hatten viel Platz, ein riesiges Grundstück, wir konnten draußen sein und uns frei bewegen. Aber es war insgesamt eine angespannte Situation. Mit sieben Leuten auf eine m Haufen kann es irgendwann ziemlich eng werden und als endlich, nach den Osterferien, die Schule wieder anfing, waren alle erleichtert und haben sich gefreut mal wieder was Anderes zu sehen und Freunde zu treffen.

Kurz nach den Osterferien ist der Familienhund gestorben, was für alle ein Schock war. Zwei Wochen später hatte ich dann zum ersten Mal wirklich ein Problem mit meiner Gastfamilie. Hier möchte ich gar nicht ins Detail gehen, ich finde es nur wichtig anzusprechen, was nicht so gut gelaufen ist. Ich möchte dir Tipps geben, was du als zukünftige*r Austauschschüler*in vielleicht anders machen kannst als ich. Grundsätzlich war ich zu still. Ich habe mich oft in mich zurückgezogen und zu wenig von meinem Leben mit meiner Familie geteilt. Gleichzeitig hatte meine Gastmutter ziemlich viel um die Ohren und sie hat ein völlig anderes Wesen als ich. So kam eins zum anderen.
Die Unterstützung der Partnerorganisation war an dieser Stelle mangelhaft. Ein langes und offenes Gespräch zwischen mir und meiner Gastmutter hat am Ende noch alles geklärt und ich konnte die letzten vier Wochen weiter glücklich bei und mit meiner Gastfamilie verbringen.

Die letzten vier Sommerwochen waren nochmal besonders großartig. Währen es im Winter kaum hell wird, wird es im Sommer kaum dunkel. Wir haben gebadet, draußen geschlafen und an meinem letzten Wohnende waren wir segeln.
Der Abschied von Norwegen, meiner Familie und meine Freunde ist mir schwergefallen. Es war dann aber auch toll nach einem Jahr meine Familie in Deutschland wiederzusehen.

Zurückblickend würde ich jedem der Lust hat, empfehlen ein Auslandsjahr zu machen. Egal wo, ich glaube, es wird immer besonders und außergewöhnlich. Du lernst sehr viel über dich, eine neue Kultur, andere Menschen und so viel mehr.
Wenn du Angst hast, nicht so lange von deiner Familie oder was/wem auch immer getrennt sein möchtest oder deine Eltern ein ganzes Jahr nicht erlauben, wie wärs mit einem halben Jahr oder auch nur drei Monaten? Es lohnt sich in jedem Fall.
Wichtig ist, dass du über deine Gefühle sprichst und sie nicht in dich hineinfrisst. Sei offen und versuche dich auf die neuen Menschen, ihre Gewohnheiten und ihren Alltag einzulassen.

Viel Spaß und „Danke“ für´s Lesen,

Charlotte

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