Wie alles begann... Genau weiß ich es nicht mehr, wie ich damals in der neunten Klasse auf die Idee kam, ein Schuljahr in den USA zu verbringen. Vielleicht war es das Buch, „Nix wie weg“, mit Erfahrungsberichten von Leuten, die eine Zeit lang im Ausland verbracht haben. Vielleicht war es aber auch einfach das Plakat, das für ein High School Year warb und in der Schulcafeteria hing. Vielleicht hat mich auch irgendein Bericht aus einer Zeitung neugierig gemacht. Ich habe also nach Informationen gesucht und schließlich ein Infotreffen von iSt in Düsseldorf besucht. Dort hat eine ehemalige Austauschschülerin von ihren Erfahrungen berichtet und schon auf der Rückfahrt hatte ich meine Kurzbewerbung ausgefüllt. Kurz darauf hat mich iSt zu einem Interviewgespräch nach Düsseldorf eingeladen. Jetzt kam der Stein ins Rollen. Gemeinsam mit meinen Eltern hatte ich mich für ein halbes Jahr an einer privaten High School entschieden. Ich füllte Bewerbungsbögen aus und gestaltete eine Fotocollage. Zum Glück hatte ich mich eineinhalb Jahre im Voraus schon entschieden, so dass für alles genügend Zeit blieb. Bald stand fest, dass ich auf die Bolles School in Jacksonville, Florida gehen würde und dort auch im Internat leben würde.Die Anreise Am 23.August ging es dann endlich los. Von Frankfurt aus flogen wir als Gruppe erst nach Washington, dann nach Jacksonville. Unser Flug verlief problemlos und am Abend holte uns jemand von der Schule vom Flughafen in Jacksonville ab. (Apropos Gepäck: Ich habe zwei große Koffer mitgenommen, in denen ich alles problemfrei unterbekommen habe. Wenn ich mich richtig erinnere, durfte jeder dieser Koffer 32 kg wiegen,ohne dass Übergewicht bezahlt werden musste.)Die ersten Tage Gleich nach unserer Ankunft wurden wir ins Dorm gebracht. Die Prefects und die Dormmoms zeigten uns unsere Zimmer. Noch waren nur International Students hier, die anderen Boarder, mit denen wir unsere Zimmer teilen würden, waren noch nicht angekommen; sie würden erst im Laufe des nächsten Tages eintreffen. Da ich sehr müde von dem Flug war, schlief ich schnell ein. Am nächsten Tag, einem Samstag, kamen schließlich auch die anderen Boarder an. Ich lernte schnell meine Roommate kennen. Sie war Amerikanerin und kam aus South Carolina. Da jeder Boarder Decke und Kopfkissen entweder mitbringen oder kaufen muss, wurde direkt am Samstag ein Trip in einen großen Supermarkt angeboten, wo man wirklich alles bekommen hat. Hier konnte man zusätzlich auch noch Schulsachen kaufen. Der Sonntag ging ebenso schnell um wie der Samstag. Am Montag, der ein Feiertag war, bin ich mit einigen anderen zum ersten Mal in die Schule gefahren. Der Bookstore hatte geöffnet und so konnte ich gleich meine Bücher kaufen, die ich für meine Kurse benötigte. Hier bekam ich auch einen Locker zugewiesen. Gemeinsam gingen wir auf dem Campus umher und orientierten uns schon einmal, wo wir am nächsten Tag Unterricht hatten. Heimweh hatte ich fast überhaupt nicht. Ich habe mich sehr schnell eingewöhnt und zu vielen anderen Boardern guten Kontakt gefunden.Schule Bereits im Frühjahr schickte mir die Schule ihr Kursverzeichnis zu und so konnte ich in Ruhe meine Kurse auswählen und sie per E-Mail mit Mrs. Marks, meinem Counselor, besprechen. Ich entschied mich für Advanced Women’s Chorus, Precalculus, French 4 Honors, English, US History und Chemistry. Jeden Morgen bin ich mit einem dieser typischen gelben Schulbusse vom Dorm aus auf den anderen Campus gefahren, um dort in den Unterricht zu gehen. Die Busse fuhren zu zwei verschiedenen Zeiten. Der Frühbus fuhr bereits um zwanzig nach sieben, der Spätbus um zwanzig vor acht. Da auf den Straßen immer viel los war, dauerte die Fahrt mit dem Bus meistens zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten. Der Unterricht ging um halb neun los, vor dem Unterricht gab es aber die so genannte Zero Hour, in der die Lehrer in ihren Klassenräumen waren und Fragen zu den Hausaufgaben erklärten oder halfen, den Stoff zu verstehen, den man am Vortag nicht verstanden hatte. Meine erste Stunde war Study Hall, eine Stunde, in der man Hausaufgaben machen konnte oder für die Tests und Quizzes lernen konnte. Danach hatte ich Chor. Wir waren ca. 18 Mädchen im Chor und haben dreistimmig gesungen. Im Herbst sind wir für ein Wochenende nach Deland, Florida gefahren und haben dort an einem Fest für High School Chöre teilgenommen. Es hat sehr viel Spaß gemacht und gerade dort hat man schnell Kontakt zu den anderen gefunden. Nach der zweiten Stunde waren Activities, eine 30-minütige Pause, in der sich die verschiedenen Schulclubs trafen oder manchmal Jahrgangsversammlungen abgehalten wurden. In der dritten Stunde hatte ich Precalculus, meinen Mathekurs. Danach hatte ich Lunch Period. In der Lunch Period habe ich meist erst mit meinen Freunden in der Schulcafeteria gegessen, danach saßen wir oft noch draußen in der Sonne. Nach dem Mittagessen hatte ich Chemie, Französisch, Englisch und schließlich US History. Um kurz vor vier war der Unterricht zu Ende. An vier Tagen in der Woche, montags, dienstags, donnerstags und freitags, hatte ich von vier bis sechs Uhr nachmittags noch Rudern. Ich wollte unbedingt einen Sport machen in Amerika und obwohl ich zuvor noch nie gerudert bin, hat es wahnsinnig viel Spaß gemacht. Die Schule lag direkt am St. Johns River; wir mussten nur die Boote aus dem Bootshaus holen und einsteigen. Ich war im Junior Varsity Achter-Boot und mit dem Team haben wir auch an Ruderrennen teilgenommen. Eins davon fand in Jacksonville statt, aber die anderen drei Rennen, bei denen wir mitgemacht haben, fanden außerhalb statt. Dann sind wir mit dem Bus und allen Ruderteams (und den Booten natürlich!) der Schule über das Wochenende zu diesen Rennen gefahren (einmal bis nach Nord-Georgia, die Fahrt hat acht Stunden gedauert). Diese Rennen waren immer sehr lustig. Da die unterschiedlichen Teams verschiedene Startzeiten hatten und wir uns gegenseitig immer angefeuert haben, haben wir bei solchen Rennen immer eine Riesenpicknickdecke dabei gehabt, auf der die anderen Teams, die gerade nicht am Start waren, dann saßen, auf ihren Start warteten und natürlich ein Riesenpicknick machten!!! Probleme in der Schule oder mit der Sprache hatte ich nie. Ich habe mich schnell eingewöhnt und nach ca. 3 Wochen sogar auf Englisch geträumt. Die Kurse waren in der Regel relativ klein, etwa 10-15 Personen pro Kurs. In den meisten Fächern hat man regelmäßig Quizzes (ca. ein Quiz pro Woche und Fach) geschrieben, in denen zum Beispiel Vokabeln oder die gelesenen Stellen der Hausaufgaben abgefragt wurden. Tests hat man, im Vergleich zu Deutschland, sehr regelmäßig geschrieben. Ungefähr zwei Tests im Monat pro Fach waren normal, die jedoch alle nur einstündig waren. In manchen Fächern, wie in Geschichte, bestanden diese Tests zu einem Großteil aus Multiple Choice Fragen. Am Ende eines Semesters hat man in jedem Fach ein zweistündiges Exam geschrieben, das den Stoff des kompletten Halbjahres abgefragt hat. Das Schuljahr insgesamt war in vier Quarters gegliedert. Sowohl zur Mitte (Interim) als auch zum Ende eines jeden Quarters hat man ein Zeugnis bekommen. Im amerikanischen Notensystem gibt es die Noten A, B, C, D und F (jede Note kann noch ein Plus oder Minus haben). D und F waren negative Noten.Dorm Das Girl’s Dorm lag auf einem anderen Campus der Schule, dem Bartram Campus. Hier gingen, im Gegensatz zu dem San Jose Campus, wo die Neunt- bis Zwölftklässler Unterricht hatten, die Sechst- bis Achtklässler tagsüber zur Schule. Neben der Middle School Library, in der einige Computer standen, die wir während unseren Hausaufgaben abends für Recherchen im Internet benutzen durften, und den Klassenräumen, gab es verschiedene Gebäude, in denen wir wohnten. Immer zwei Mädchen teilten sich im Dorm ein Zimmer. Als Rommate hatte man immer eine Person, die nicht dieselbe Muttersprache sprach (es sei denn, es war Englisch ). Jedes Zimmer hatte zwei Betten, zwei Schreibtische und zwei Kommoden und Schränke. Wenn man Fotos oder Poster an die Wand klebte, wurden die Zimmer schnell gemütlich. Meine Roommate brachte auch zwei Goldfische im Glas mit, die als einzige „ Haustiere“ im Dorm erlaubt sind. Gemeinsam mit einem anderen Zimmer teilte man sich ein Bad, das sich immer zwischen zwei Zimmern befand. In dem Gemeinschaftsraum, der „Spoon“ genannt wurde, gab es mehrere Computer, von denen aus man ins Internet gehen konnte. Neben dem Gemeinschaftsraum befand sich ein Raum mit Fernseher und Videorekorder. Am Wochenende wurden oft Filme ausgeliehen, die wir dann gemeinsam ansahen. Auch neben dem Wäscheraum (6 Waschmaschinen und 6 Trockner, in denen man seine Wäsche nach Münzeinwurf waschen konnte, jeder war für seine Wäsche selbst verantwortlich ) gab es einen Fernsehraum. Gegessen wurde in einem Raum mit mehreren Tischen, der sehr gemütlich war, der Miller Room. Wochentags gab es hier morgens von sieben bis acht Uhr Frühstück (mit Bagels und Cereals), an dem jedoch keiner verpflichtend teilnehmen musste. Bevor man jedoch mit einem der Schulbusse zur Schule fuhr bzw. selbst mit seinem Auto zur Schule fuhr, musste man der Dormmom, die morgens im Miller Room saß, sagen, wann man nachmittags oder abends (z.B. nach dem Sport) nach Hause kam. Dann hatte man Schule. In der Schule wurde auch zu Mittag gegessen. Nach der Schule, die gegen vier Uhr zu Ende war, konnte man entweder mit dem Bus zurück ins Dorm fahren oder aber noch eine Sportart ausüben und dann mit dem Bus um halb sieben zurück fahren. Von sieben bis halb acht gab es (warmes) Abendessen, an dem jeder dienstags und donnerstags verpflichtend teilnehmen musste; an den anderen Abenden war die Teilnahme freiwillig. Ich für meinen Teil habe aber immer gefrühstückt und an dem Abendessen teilgenommen, da ich nach dem Sport immer hungrig war. Von halb acht bis viertel nach neun war von Sonntag bis Donnerstag Study Hall. In der Study Hall sollte man in seinem Zimmer sitzen und seine Hausaufgaben machen und für die Tests und Quizzes lernen. Waren die Grade Reports jedoch gut, konnte man ein- bzw. mehrmals pro Woche Study Hall skippen; waren die Noten hingegen schlecht, musste man an der Supervised Study Hall in der Bibliothek teilnehmen. Jeden Wochentag wurden morgens jedoch die Zimmer auf Ordnung kontrolliert und war alles okay, so erhielt man einen Bulldog Buck. Mit zehn Bulldog Bucks konnte man auch an einem Abend Study Hall skippen. Am Wochenende gab es von morgens bis mittags einen Open Lunch. Man konnte frühstücken und/oder zu Mittag essen, wann man wollte. Abends gab es von sechs bis sieben Abendessen. Mittwoch abends konnte man mit dem Dorm Bus in einen Supermarkt fahren, um z.B. Schulsachen oder Schnucksachen zu kaufen. Am Wochenende fanden Ausflüge statt, an denen man freiwillig teilnehmen konnte. Gleich am ersten Wochenende sind wir nach Orlando in den Wet and Wild Park (Wasserpark) und in den Freizeitpark der Universal Studios gefahren. Halloween sind wir zu den Halloween Horror Nights wieder in den Park der Universal Studios gefahren. An anderen Wochenenden waren wir in verschiedenen Shopping Malls in der Umgebung Jacksonvilles. Häufig sind wir am Wochenende abends ins Kino gegangen und waren danach noch bei Starbucks. Wir waren aber auch auf einer Insel in Südgeorgia, am Strand, töpfern, Schlittschuh laufen in der Eishalle oder Klettern in der Kletterhalle. Es gab viel zu unternehmen und hierbei hat man schnell Freunde gefunden. Natürlich konnte man auch mit anderen Freunden was unternehmen, musste dann aber die Dormmoms um Erlaubnis fragen. Egal ob man was mit dem Dorm oder mit anderen Freunden unternommen hat, immer musste man sagen, wo man hingeht und wann man wiederkommt. Ach so: Über Thanksgiving und Weihnachten war das Dorm geschlossen. Weihnachten verbrachte ich bei Verwandten in Illinois. Die Dormmoms bringen einen zum Flughafen und holen einen von dort auch wieder ab. Thanksgiving verbrachte ich bei einer Familie in Jacksonville, deren Kinder auch auf die Bolles School gehen.Die Abreise Als ich meine Koffer gepackt habe und gespürt habe, dass ich bald abreisen würde, da wurde ich traurig. Ich hatte viele neue Freunde gefunden (von denen einer dies Jahr nach Deutschland kommt!!). Ich denke gerne an meine Zeit in Amerika zurück!!!! Alles kann ich hier nicht berichten, aber ich hoffe, dass man einen Eindruck bekommen hat, wir toll so ein (halbes) Jahr sein kann! Also: Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum! Eure Sarah Sandrock The Bolles School, Jacksonville, Florida