Texas – The Lone Star State Am 22. August wurde mein großer Traum wahr: nachdem ich ein Stipendium von der Rohr- und Stahlhandel Jung & Co. GmbH aus Kamp-Lintfort erhalten hatte, trat ich mein „High School Year“ an. Dieses Jahr durfte ich in Waxahachie, einer alten Cowboystadt im sonnigen Texas, verbringen. Zusammen mit meinen Gasteltern Jeffrey und Jean Slease, die keine eigenen Kinder hatten, lebte ich auf dem Lande, gut sechs Meilen von jeglicher Art „Stadt“ entfernt. Selbst wenn es öde klingt, gefiel es mir sehr, inmitten von Feldern zu leben und weit und breit nur die großzügigen texanischen Weiten bewundern zu können. Und wer hat schon mal echte „Texas Longhorns“ fast im Garten stehen??? Meine Gasteltern und ich haben uns sehr gut verstanden. Natürlich gab es immer wieder Situationen, in denen man sehr viel Toleranz und Rücksicht zeigen musste, um zusammen leben zu können, und das war auch nicht immer leicht. Selbstverständlich ist es ganz anders als daheim und dann werden 10 Monate in mancher Hinsicht schon sehr lange. Aber die beiden haben sich sehr bemüht und mich in jeglicher Hinsicht unterstützt, sei es, dass sie mich an einem Samstag morgen um 6 Uhr zur Schule fuhren, weil ich zu einem Turnier musste, mich an einem Dienstag Abend um 23 Uhr nach einem Volleyballspiel abholten oder mich zu einem Treffen mit Freunden brachten. Und das, obwohl es mindestens 15 Minuten dauerte um überhaupt erst in die Nähe von Schule oder Highway zu kommen! In dem Schuljahr, welches bereits kurz nach meiner Ankunft begann, besuchte ich die „Palmer High School“ im kleinen Örtchen Palmer… ein richtig texanisches Straßendorf. Mit nur 340 Schülern verteilt auf vier Jahrgangsstufen verbrachte ich einen Großteil meines Jahres in einem kleinen Schulgebäude, das gerade einmal drei Gänge, eine kleine Cafeteria und eine kleine Sporthalle aufzuweisen hatte. Dafür waren die Sportanlagen sehr großzügig und typisch amerikanisch bestens ausgestattet. In nur wenigen Stunden war ich bei allen bekannt und wurde sehr herzlich aufgenommen. Lehrer und Schüler, denen ich mich noch gar nicht persönlich vorstellen konnte, kannten meinen Namen bereits am zweiten Tag und unterhielten sich mit mir wie mit einer alten Bekannten. Ich wurde sehr herzlich aufgenommen und direkt in den Schulalltag eingebunden. Jeden Tag hatte ich dieselben acht Fächer in der gleichen Reihenfolge. Die Fächer und der Inhalt waren vergleichsweise zum deutschen Schulsystem, wie man es schon oft gehört hatte, sehr einfach und von geringerem Anspruch. Um 7.30 Uhr kam ich in der Schule an und gegen 15.40 Uhr war der Unterricht zu Ende. Danach fand jedoch noch saisonbedingtes Sporttraining statt. So kam es, das ich von Anfang an im Volleyballteam mitgespielt hatte und mindestens zweimal wöchentlich bis spät abends mit der Schule unterwegs war, da wir gegen andere Schulen angetreten sind. Im Verlauf des Jahres konnte ich dann noch Softball, ähnlich dem Baseball für Frauen, Tennis und Golf erlernen. Im Tennis trat ich auch bei Turnieren an. Zuletzt war ich „Trainer“ für die Leichtathletikteams und begleitete diese zu all ihren Turnieren, um überall zu helfen, wo ich von Coaches oder Sportlern gebraucht wurde. So kam es sehr häufig dazu, dass ich die wohl längsten Schultage meines Lebens erlebte! Nicht selten war ich bereits um 7 Uhr oder 7.30 Uhr in der Schule und kam erst nachts gegen 23.30 Uhr wieder zu Hause an. Was für deutsche Schüler unmöglich klingt, war dort ganz normal und hat unglaublich viel Spaß gemacht, denn den Großteil jenes Tages hat man ja schließlich mit Freunden und dem Sport verbracht. Eindeutig spielt der Sport eine große Rolle in den Leben der Amerikaner, ob jung oder alt. Es werden auch keine Kosten und Mühen gescheut, um die eigenen Kinder, Freunde und Bekannte bei jeglicher Art von Wettkämpfen zu unterstützen und selbst an Wochentagen sogar 1½ Stunden Fahrt in EINE Richtung in Kauf zunehmen, um den berühmten „School Spirit“ zu zeigen. Ich selbst war sehr begeistert von den Footballspielen an jedem Freitagabend, wo sich das ganze Dorf auf der Tribüne zum Anfeuern traf, Hot Dogs, Chips und Cola kaufte und die Schulband unser eigenes Schullied und andere „Kampflieder“ anstimmte. Als die Footballsaison dann leider zum Ende kam, war jedoch direkt für neue „Sportereignisse“ gesorgt: Basketball. Und danach ließen Baseball und Leichtathletik auch nicht lange auf sich warten. Ich war oft bei Spielen, um meine Schulmannschaft anzufeuern. Es war auch eine ganz außergewöhnliche Erfahrung, dass man sich bei diesen Anlässen mit den Lehrern und deren Familien zusammen setze, sogar gemeinsam zu den Spielen fuhr und sich über ganz private Angelegenheiten unterhielt. Vor allem weil meine High-School so klein war, war alles sehr persönlich. Es gab keine Geheimnisse und wenn es mal eines gab, wusste das gesamte Dorf nach spätestens einem Tag bescheid. Auch der Schulleiter, welcher über allen Schulen des Dorfes stand, wusste schlichtweg alles und von jedem. Hatte ein Schüler ein Problem mit einem Lehrer, hatte er es mit Sicherheit innerhalb einer Stunde erfahren… und kümmerte sich bei Bedarf selbst um die Lösung. Auch dies war ein Grund, weshalb ich mich an der Palmer High School sehr wohl und wie ein vollwertiges Mitglied in der Gemeinschaft gefühlt habe. Außerhalb der Schule war dann die Kirche für mich ein sehr großer Bezugspunkt. Gemeinsam mit meinen Gasteltern besuchte ich zwei Mal wöchentlich deren Kirche, die „Heritage Baptist Church“. Da Texas ein sehr konservativer Staat ist und die meisten Menschen streng gläubig sind (auch wenn oft große Diskrepanzen zwischen angeblichem Glauben und tatsächlichem Verhalten auftraten…), ist es selbstverständlich, Mittwochs abends zum Jugendtreffen zu kommen, gemeinsam zu singen und zu beten und am Sonntag erneut in einen Gottesdienst mit anschließendem gemeinsamen Mittags- oder Abendessen oder anderer Aktionen zu gehen. Ich hatte großes Glück, eine sehr herzliche und offene Gemeinde vorzufinden, die mich wie selbstverständlich in ihre Gemeinschaft, die „Church Family“, aufnahm. Gemeinsam mit der Jugendgruppe, in der ich viele gute Freunde gefunden habe, unternahm ich einige Dinge. So kam es, dass wir an Wochenenden viele gemeinsame Aktionen unternahmen. In Tulsa, einer recht großen Stadt in Oklahoma, verbrachten wir zum Beispiel ein Wochenende und verrichteten Sozialarbeit in einem Ghetto. An anderen Wochenenden trafen wir uns zu ähnlichen Unternehmungen und in der „Spring Break“ verbrachten wir eine Woche in Colorado zum Ski fahren. Aber außerhalb der Schule, Jugendgruppe und kirchlichen Veranstaltungen konnte ich auch noch einige andere Dinge unternehmen. Zum Ende meines Jahres hin verbrachte ich mit meinen Gasteltern einige Tage am Golf von Mexiko. Dort besuchten wir das berühmte „NASA Space Center“ in Houston, besichtigten die Insel Galveston mit dem großen Attraktionspark „Moody Gardens“, machten eine Schaufelraddampferfahrt an der Bucht entlang, und besuchten diverse Shoppingmalls. Ein anderes Wochenende verbrachte ich zudem mit einer befreundeten Familie in Louisiana, probierte deren Leibspeise „Crawfish“, bewunderte den Mississippi und war immer wieder höchst beeindruckt von der Herzlichkeit und Gastfreundschaft, ganz einfach der großen Aufgeschlossenheit meiner neuen „Landsleute“, den Amerikanern. In meiner Zeit traf ich wohl Hunderte von Menschen unterschiedlichster Herkunft, Lebensstilen, Religionen, und Auffassungen. Mit welcher Offenheit und Begeisterung diese Menschen mir begegneten, sehr persönliche Gespräche führten und Erfahrungen austauschten und mich davon überzeugten, dass jenes Volk im „Melting Pot“ trotz aller Vorurteile und auch weiterhin bestehender innerer Probleme, eine so tolerante und interessante Gemeinschaft ist, hat mich sehr beeindruckt und davon überzeugt, dass das „Wagnis Amerika“ hoch belohnt wird. Alle Erfahrungen und Erinnerungen die ich gesammelt habe, sind zu einem großen und sehr wichtigen Teil meines Lebens geworden, haben mich in jeglicher Weise sehr weit voran gebracht und es mir ermöglicht, „über den Tellerrand hinaus“ zu blicken, neue Dinge zu sehen und zu verstehen. Ich habe zudem eine zweite Familie gewonnen, Freunde, die ich wohl mein Leben lang behalten werde, allein deswegen, weil wir unsere Leben gegenseitig auf immense Weise bereichert haben. Christiane Zapp Waxahachie, Texas